Katzengeschichten

Garfield

 

Heute möchte ich euch die Geschichte eines sehr berühmten Völser Katers erzählen – die Geschichte von Garfield.

 

Kennengelernt habe ich Garfield auf sehr abenteuerliche Art und Weise. Es war Ende Jänner 2008 und ich arbeitete damals noch bei der Tiroler Tageszeitung. Ich habe in den frühen Morgenstunden in Völs die Zeitung zugestellt und organisierte und koordinierte untertags die Zustellung von Werbeprospekten usw. Unser Büro war damals im Gebäude des Völser Bahnhofs untergebracht.

 

Eines Nachmittags Ende Jänner 2008 rief mich eine meiner Zustellerinnen, Verena, an und teilte mir mit, dass vor der Bürotür ein rot-weißer Kater gesessen ist, welcher ihr dann ins Büro folgte, als sie ihre Prospekte für die Zustellung herausholen wollte. Er wäre gerne im Büro geblieben, sie konnte ihn jedoch natürlich nicht dort einsperren – ob ich vielleicht Rat wüsste. Ich sagte ihr, sie solle ihn einfach wieder ganz nett herauslocken und ich würde dann gleich vorbeikommen. Das tat ich dann wenig später auch. Der Kater war außerordentlich zutraulich und es gefiel ihm in unserem Büro offensichtlich so gut, dass er die ganze Zeit, während ich meine Büroarbeit am Computer erledigte, neben mir auf dem zweiten Bürostuhl lag und zufrieden vor sich hin schnurrte. Ich hatte eine große Freude mit meinem neuen liebenswürdigen Kollegen!

 

Jedoch wurde es immer später und der Abend kam. Ich musste ja irgendwann wieder nachhause und konnte meinen pelzigen Kollegen ja nicht über Nacht im Büro eingesperrt lassen. Mit nachhause nehmen kam auch nicht infrage, da ich ja selbst zwei Kater, Leo und Tommy, zuhause hatte, die sicher nicht sonderlich erfreut über einen Gast in Katergestalt gewesen wären.  Außerdem hatte er sicher ein Zuhause, wo man ihn gewiss schon sehr vermissen würde. Als ich ihn mir so ansah, fiel mir ein, das könnte doch der Kater Wuzl von Karin A. sein, welche gar nicht weit von hier in der Aflingerstraße wohnt. Ich hatte Wuzl damals erst wenige Male kurz gesehen und dachte mir, das könnte mein Bürobesucher sein.

 

Ich erklärte also dem vermeintlichen Wuzl, dass ich mich auf die Suche nach seinem Zuhause mache, aber bald wieder zurück sein werde, schloss das Büro ab und machte mich auf den Weg zu Karin A. Anrufen konnte ich sie nicht, da ich keine Telefonnummer von ihr hatte und sie auch nicht im Telefonbuch stand.

 

Ich läutete bei Karin A., und als sie mir die Wohnungstür öffnete und ich sie fragte, ob ihr Kater Wuzl zuhause sei oder ob sie ihn vermisse, denn bei mir im Büro sitzt ein rot-weißer Kater, lachte sie und sagte: „Nein, der Wuzl ist brav zuhause! Aber das könnte Garfield, der Kater der Familie R. sein, welche im Apothekenhaus wohnt.“

 

Also machte sich es sich nicht Wuzl A., sondern höchstwahrscheinlich Garfield R. in meinem Büro gemütlich.  Ich ging nun direkt zum Apothekenhaus, welches nur ein paar Schritte entfernt ist und läutete bei der Familie R. Man öffnete mir sofort die Haustür, und als ich dann oben vor der geöffneten Wohnungstür stand, empfing mich eine freudig erleichterte Familie R. Garfield wurde schon schmerzlich vermisst, vor allem vom kleinen Sohn der Familie, welcher schon um seinen pelzigen Freund geweint hatte. Immerhin war es nun schon ca. 21:00. Der Vater der Familie ging gleich mit mir mit ins Büro, um den kleinen Ausreißer wieder nachhause zu holen. Auf dem Weg dorthin erzählte er mir, dass Garfield immer wieder in Völs unterwegs ist und sogar manchmal bis nach Völs-Ost spaziert, wo sie vorher gewohnt haben. Dort hatten sie eine Parterre-Wohnung mit kleinem Garten, deshalb war Garfield das Freigängertum gewöhnt, und sie konnten ihn nun in der neuen Wohnung, obwohl diese im dritten Stock liegt, nicht einsperren – er bestand weiterhin vehement auf seinen gewohnten Freigang. Aber so lange wie heute war Garfield noch nie weg gewesen, deshalb hatten sie sich schon große Sorgen um ihn gemacht und waren natürlich heilfroh und erleichtert, dass er bei mir Zuflucht gefunden hatte und nun bald wieder mit seiner Familie glücklich vereint sein werde.

 

Als wir ins Büro traten, lag Garfield – die Ruhe in Person – ganz selbstverständlich unverändert in seinem Bürostuhl und begrüßte uns freundlich zwinkernd. Es war definitiv Garfield R., und die Freude war riesengroß! Nach einer kleinen aber liebevollen Schelte vom Papa „Aber dafür bleibst du jetzt mal zuhause und darfst die nächsten drei Tage mal nicht hinaus!“  machten sich die beiden – Garfield gemütlich auf Papas Arm – zu Fuß auf den Heimweg. Glücklich und zufrieden winkte ich den beiden noch nach und schaute ihnen noch ein Weilchen nach, bis sie in der Dunkelheit Richtung Heimat verschwanden. Es war einfach ein wunderschönes Gefühl, etwas zum glücklichen Ausgang dieser Geschichte beigetragen zu haben und einen neuen samtpfotigen und neue menschliche Freunde gewonnen zu haben.

 

Im Laufe der nun folgenden Jahre durfte ich Garfield immer besser kennenlernen und hatte so manches lustiges Erlebnis mit ihm.

 

Einmal hat er mich sogar vor meinem Haus besucht. Das folgende Foto stammt von diesem Besuch. Ich schaute gerade beim Küchenfenster hinaus, da sah ich ihn in der Wiese vorm Fenster sitzen und so lieb zu mir heraufschauen.  Leider ist dies das einzige Foto, das ich noch von ihm habe. Ich hatte ursprünglich noch ein paar, die aber leider bei einem Computer-Absturz verloren gegangen sind. Aber dafür ist dieses eine umso kostbarer, und ich habe es gleich in drei Versionen in dieser Geschichte verwendet.

 

 

Wann immer ich Garfield vor seinem Haus angetroffen habe, und er mir zeigte, dass er nachhause möchte, habe ich bei seiner Familie geläutet, damit sie uns die Türe öffnen konnten. Garfield liebte es, mit dem Lift hinauf zu seiner Wohnung in den dritten Stock zu fahren. Deshalb marschierte er jedesmal schon flott voraus zum Lift, sobald die Türe aufging. Ich natürlich hinterher, um mit ihm hinaufzufahren. Er ging geradewegs hinein in die Liftkabine, sobald sich die automatische Lifttür geöffnet hatte, saß dann ganz gesittet am Boden und wartete geduldig, bis der Lift ganz oben war. Dann marschierte er geradewegs zu seiner Wohnungstür, wo immer schon jemand von seiner Familie ihn erwartete und sich für meinen Begleitdienst bedankte. Mit Garfield mit dem Lift zu fahren war aber auch für mich ein Vergnügen, das ich immer sehr genoss. Als ich noch in der Innsbrucker Innenstadt (Universität Innrain bzw. SOWI) arbeitete, fuhr ich in der Früh immer mit dem Bus von der Haltestelle Apotheke aus in die Arbeit. Und auch da traf ich oft auf Garfield, der ins Haus hineinwollte. Da jedoch der Bus jeden Moment kommen konnte, konnte ich nur bei seiner Familie läuten und Garfield reinlassen. Ich sagte ihm dann immer, dass ich dieses Mal leider nicht mit ihm mit dem Lift fahren kann, weil mein Bus gleich kommt, und dass er deshalb leider alleine und zu Fuß zu seiner Wohnung hinaufgehen muss. Das hat er jedesmal sofort verstanden und ist dann gleich über die Treppe hinaufgegangen. Einmal bin ich ganz knapp zur Haltestelle gekommen, und der Bus ist schon dagestanden. Garfield aber auch! Also bin ich schnell zum Bus vorgelaufen, hab den Busfahrer gebeten, er möge doch bitte noch eine Minute warten, ich müsse nur noch schnell einen lieben Kater ins Haus lassen. Es war ein sehr netter Busfahrer, denn er lachte verständnisvoll und sagte, das sei überhaupt kein Problem. So konnte ich Garfield noch reinlassen und konnte auch noch mit dem Bus mitfahren.

 

Garfield war sehr berühmt in Völs, denn er war ja ein leidenschaftlicher Spaziergänger und hat auch gerne die umliegenden Geschäfte besucht. Auch in der gegenüberliegenden Tankstelle war er manchmal zu Gast, ebenso wie im M-Preis, wo er an der Wursttheke sogar einmal ein Scheibchen Wurst überreicht bekam, wie mir jemand erzählt hat.

 

Sogar in die Apotheke ist er mal gekommen, als gerade eine frische Lieferung getrockneten Baldrians ausgepackt wurde – kein Wunder, keine Katze kann diesem Duft widerstehen!

 

Auch wurde mir erzählt, dass Garfield eines Tages von selbst auf eigenen Pfoten durch die Tür unserer Tierarztpraxis von Mag. Volker A. Büchele in Völs-Ost marschiert ist! Ich glaube, er war wohl die erste und wahrscheinlich auch einzige Katze, die jemals freiwillig zum Tierarzt gegangen ist. Obwohl unser Tierarzt ein echtes Geschenk ist – aber wir wissen ja, trotzdem geht keine Katze gerne zum Tierarzt. Wir kennen das ja selbst vom Zahnarzt.  In der Praxis wurde dann bei Garfield zuhause angerufen – denn auch dort ist er natürlich wohlbekannt – damit er abgeholt werden konnte.

 

Einmal sah ich Garfield auf der Bank im Buswartehäuschen vor seinem Haus sitzen. Die Menschen, die auf den Bus warteten, sind brav und artig neben ihm gestanden – wie es sich eben gehört. Er ist auch zumindest einmal sogar mit dem Bus mitgefahren, wurde mir erzählt. Dabei ist er ganz selbstverständlich bei seiner Haltestelle vorm Haus in den Bus Richtung Innsbruck eingestiegen und im Dorf wieder ausgestiegen. Und weil Garfield immer so fleißig zu Fuß unterwegs war, sei es ihm auch vergönnt, dass er sich einmal auch den Luxus einer kleinen Busfahrt gegönnt hat.

 

Einmal stand ich im Spar beim Brot an und wartete auf Bedienung, als ich ganz deutlich etwas hinter mir spürte. Die meisten von euch kennen sicher das Gefühl, das man manchmal im Nacken verspürt, wenn einen jemand beobachtet oder intensiv von hinten anschaut. Ich drehte mich also um und sah dann hinter mir am Boden sitzend und so lieb zu mir aufschauend – Garfield! War das eine liebe Überraschung! Ich fragte ihn, ob er mit mir mitkommen möchte, ich brauchte nur mehr wenige Dinge. Was er freudig und gerne tat. Er begleitete mich noch schnell durch das Geschäft und ging die ganze Zeit über brav neben mir her und wich mir nicht von der Seite. Auch an der Kassa ist er so brav neben mir angestanden und hat mit mir gewartet, bis wir fertig waren. Aber auf einmal meinte er wohl, er habe vielleicht doch noch etwas vergessen und ist nochmal ins Geschäft zurück, gerade als wir an der Kassa fertig waren. Ich bin ihm gleich hinterher gegangen und konnte ihn überreden, doch mit mir nachhause zu gehen. Er ließ sich dann sogar von mir tragen, und erst kurz vor seinem Haus wollte er wieder runter. Ich glaube, so sehr er es auch genoss, getragen zu werden, war es ihm doch immer etwas peinlich vor seinen Katzenkollegen im und ums Haus, wie ein kleines Katzenkind nachhause getragen zu werden.

 

Eines Nachmittags kam ich gerade von den Dorfplatzkatzen, das waren damals noch drei freilebende Katzen mit Namen Blacky, Lexi und Zottel (alle drei schwarz, ursprünglich waren es fünf mit Mohrli und Muggi, nun ist nur mehr Zottel übrig – mehr erzähle ich euch von ihnen in ihrer eigenen Geschichte), denen ich täglich ihr Abendessen bringe. Auf der Bachbrücke begegnete mir einer der beiden Buben und das Mädchen von Garfields Familie. Der Bub hatte Garfield im Arm, das Mädchen schob das Fahrrad. Sie erzählten mir, sie haben Garfield wieder abholen müssen, er war wieder einmal auf einen Ausflug nach Völs-Ost unterwegs gewesen. Sie mussten sich sehr abmühen, denn Garfield war ein sehr großer und natürlich auch schwerer Kater. So haben sie sich mit Tragen abgewechselt. Ich bot ihnen an, ihnen beim Tragen zu helfen und übernahm gleich eine Trage-Schicht. So hatten wir einen netten gemeinsamen Heimweg und haben dabei viel über unseren lieben Garfield geredet, der es sichtlich genoss, den ganzen langen Weg nachhause abwechselnd von uns dreien getragen zu werden. Kurz vorm Haus wollte er dann wie üblich wieder heruntergelassen werden – es könnten ihn ja seine Katzenkollegen sehen und sich dann über ihn lustig machen!

 

Das letzte Mal, dass ich Garfield sah und mein letztes Erlebnis mit ihm war am Nachmittag des Halloween-Tages, also am 31. Oktober 2015. Ich spazierte gerade mit Max, meinem Mann, den Gehsteig nach der Neuen Mittelschule in Richtung Westen, als uns Garfield begegnete. Ich sagte zu Garfield, dass er aber wieder mal schon ein bisschen weit weg von zuhause ist und bot ihm an, ihn nachhause zu tragen. Damit war er – wie immer – einverstanden und ließ sich von mir abwechselnd ein Stückchen tragen und ein Stückchen zu Fuß begleiten. Und wieder wollte er das letzte Stückchen bis zu seinem Haus selbst gehen – wir wissen ja, die Katzenkollegen könnten ihn ja sehen.  Vor der Hauseingangstür trafen wir dann zufällig auf die Kinder seiner Familie, die gerade verkleidet unterwegs waren. So konnte er gleich mit ihnen mit nachhause gehen. Wir verabschiedeten uns noch fröhlich, so wie immer.

 

Damals wusste ich noch nicht, dass dies das letzte Mal war, dass ich Garfield gesehen hatte. Denn, wie mir die Mutter der Familie R. einige Monate später erzählte, wurde unser geliebter Garfield kurz darauf, im November 2015 vor seinem Haus auf der Straße überfahren. Garfield, der überall dafür bekannt war, wie überaus vorsichtig und gewissenhaft er stets die Straße überquerte, wenn er der Tankstelle oder dem M-Preis einen Besuch abstattete. Er benutzte sogar immer den Zebrastreifen! Offenbar muss es sich um einen rücksichtslosen und unvorsichtigen Autofahrer gehandelt haben, wahrscheinlich auch zu schnell unterwegs, denn sonst wäre das nicht passiert. Es ist so traurig, dass ein so lieber Kater deshalb sein Leben lassen musste. Deshalb möchte ich an dieser Stelle an alle Autofahrer appellieren:

 

Bitte fahrt vorsichtig und nicht zu schnell! Es kann so schnell passieren, und ein Leben ist vorbei. Und dahinter stehen auch immer Familie und Freunde, die um den geliebten Gefährten weinen. Also bitte passt auf! Danke!

 

Lieber Garfield, wir alle, die wir dich so sehr lieben, werden dich nie vergessen und dich immer in liebevoller Erinnerung behalten! Danke für all die Zeit, die wir dich haben durften!

 

 

In Liebe,

 

deine Freundin Sylvia

 

 

 

7. Mai 2017